Am Donnerstag, den 11.02.2021 stellte uns Dr. Hans Königsmann, bis vor kurzem Vizepräsident bei SpaceX, eine Stunde seiner Zeit für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Herzlichen Dank für die Bereitschaft zur Teilnahme an dieser außergewöhnlichen Aktion! Einen Einblick in unsere Konferenzschaltung nach Los Angeles erhalten Sie im Folgenden.
Nach der Veranstaltung wurde ich, Dr. Daniel Roth, vom Team der Schülerzeitung gefragt, wie ich auf die Idee dieses Interviews gekommen sei. Meine Antwort mag für den einen oder anderen vielleicht etwas pathetisch gewesen sein, aber sie lautete in etwa wie folgt:
Bei SpaceX arbeiten Menschen, die sich hohe Ziele setzen und ihre Träume auch gegen große Widerstände verwirklichen möchten. Sie versuchen das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, geben auch nach Rückschlägen nicht auf und versuchen die Welt voranzubringen. Kurz gesagt, sie haben ihre Leidenschaft gefunden und folgen dieser.
Das Wort Leidenschaft weist schon in seinem ersten Teil darauf hin, dass diese Vorgehensweise auch nicht so angenehme Seiten haben wird. Aber auch und gerade deshalb ist es mir wichtig, dass unsere Schülerinnen und Schüler sich gut und vor allem selbst überlegen, was sie einmal machen möchten, welche Risiken sie eingehen und welche Prioritäten sie in ihrem Leben setzen möchten.
Als ich deshalb vor einigen Jahren erfahren habe, dass Dr. Hans Königsmann, der Vizepräsident von SpaceX, aus Deutschland kommt, habe ich ihn gefragt, ob er denn Lust und Zeit dazu hätte, mit einem Vortrag unsere Schülerinnen und Schüler in Bewegung zu versetzen. Lust hatte er sofort, aber Zeit leider nicht. Die Idee haben wir jedoch nie aus den Augen verloren und in der Woche vor den Fasnachtsferien war der Zeitpunkt dann perfekt. Am Donnerstagabend fanden sich über 80 Schülerinnen, Schüler. Lehrerinnen und Lehrer sowie Hans Koenigsmann zu einer Videokonferenz zusammen. Jana und Sofie aus der AG Tüfteln & Forschen und Schülersprecherinnen des Lessing-Gymnasiums führten durch den Abend und Dr. Hans Königsmann antwortete auf alle gestellten Fragen ausführlich und ehrlich. Die 60 Minuten waren sehr schnell vorbei.
Das Team der Schülerzeitung wollte nach der Konferenz außerdem von mir wissen, ob die Organisation aufwändig gewesen sei.
Aufwändig war das nicht. Riskant schon eher. Warum? Mir war nicht klar, ob genug Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vorfeld den Sinn und Zweck dieses Interviews erahnen können würden. Würden sie verstehen, dass es nicht unbedingt nur um Turbopumpen, Trägheitsnavigationssysteme und nicht zündende Raptoren gehen wird? Würden sie die Chance für Fragen nutzen, die sie persönlich weiterbringen werden?
Nach der Analyse der im Vorfeld von den Schülerinnen und Schülern sowie dem Kollegium eingereichten Fragen hatte ich dann aber das Gefühl, dass die Sache funktionieren könnte. Am Ende des Interviews war ich dann froh, dass die Sache tatsächlich funktioniert hat. Zumindest hatte ich nach den Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer diesen Eindruck. Besonders gefreut hat mich die positive Rückmeldung einer Kollegin, die mit Raketen ungefähr so viel am Hut hat wie ich mit Botanik: „Das war ganz ganz toll!!!“. Ja, so fand ich das auch, auch und gerade weil das Warum? schwer in Worte zu fassen ist.
Vielen Dank und meinen Respekt an alle Fragestellerinnen und Fragesteller! Und natürlich an Jana und Sofie für die Moderation und die Mithilfe bei der Vorbereitung. Und an Johannes für das Anfertigen des Protokolls!
Schließlich fragte mich das Team der Schülerzeitung noch, ob es eine Antwort von Herrn Dr. Königsmann gebe, die meiner Meinung nach auf jeden Fall in der Zeitung erwähnt werden sollte:
„Lieber glücklich viel arbeiten als unglücklich wenig arbeiten“.
Aber wahrscheinlich setzt jeder andere Prioritäten, deshalb zum Schluss eine Auswahl von Fragen und Antworten aus dem Interview. Es gab noch mehr Fragen und Antworten und es wurden mehr Fragen eingereicht, als wir stellen konnten. Bitte nicht traurig sein, es gab keine schlechten Fragen!
Herzlichen Dank an alle, die mitgemacht haben!
Einige der Fragen an Dr. Hans Königsmann:
Wer sind Sie und was machen Sie?
Ich wollte eigentlich Pilot werden. Wegen meiner Kurzsichtigkeit ging das damals aber leider nicht. So habe ich dann in Berlin Luft- und Raumfahrttechnik studiert. In Bremen habe ich dann am ZARM beim Aufbau des Fallturms und bei der Entwicklung des Bremsat mitgewirkt. Vor 25 Jahren bin ich dann in die USA emigriert, wo ich zunächst bei einer kleinen Raumfahrtfirma arbeitete. Elon Musk lernte ich zufällig in der Mojave-Wüste kennen. Und so wurde ich dann der vierte Mitarbeiter von SpaceX, wo ich zunächst für die Avionik und dann für den Start der Raketen mitverantwortlich war.
Wie gehen Sie mit Zeitdruck um?
Man gewöhnt sich an den immer präsenten Zeitdruck. Zeitlimits, selbst wenn sie nicht immer eingehalten werden können, führen dazu, sich zunächst auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es wäre nicht gut, für die Durchführung eines Projekts zu viel Zeit zu lassen.
Welchen Fokus sollte man in den Bereichen Familie und Beruf setzen?
Eine Balance zwischen Familie und Beruf ist wichtig, wie diese genau aussieht, ist aber situationsabhängig. Wenn der Beruf gleichzeitig eine Berufung ist, dann spielt die Arbeitszeit keine so große Rolle. Man könnte sagen: Man sollte lieber glücklich viel arbeiten als unglücklich wenig arbeiten.
Wie schaffen Sie es, mit Misserfolgen umzugehen?
Bei jedem Projekt muss man sich realistische Ziele setzen. Man muss sich überlegen, welche Probleme es geben kann und wie diese behoben werden können. Dann kann man allerdings immer noch scheitern. Aber das ist nicht schlimm, wenn man die Fehler erkennt und aus ihnen lernt. Ein frühes Scheitern in der Karriere hilft dabei, mit späteren Rückschlägen besser umgehen zu können. Am Anfang meiner Karriere gab es eigentlich keine Misserfolge. Um so schwerer war dann der Umgang mit den Fehlstarts der Falcon 1.
Welchen Ratschlag würden Sie einer Schülerin oder einem Schüler nach dem Abitur geben?
Man sollte etwas machen, was einen auch noch in zwanzig Jahren interessieren wird. Man sollte nicht etwas studieren, was nicht zu einem passt. Verdienst und Sicherheit sollten nicht den Ausschlag bei der Wahl des Berufs geben. Macht das, was euch Spaß macht!
Sollte man sich auf die Gegenwart oder auf die Zukunft konzentrieren?
Es gibt auch noch die Vergangenheit, die man nicht vergessen sollte. Eine mögliche Gewichtung könnte aus 20% Vergangenheit, 40% Gegenwart und 40% Zukunft bestehen. Je nach Problem kann es aber notwendig sein, die Gewichtung zu ändern.
Auf welche individuelle Leistung sind Sie besonders stolz?
Es gibt viele Dinge, auf die SpaceX sehr stolz sein kann. Persönlich bin ich besonders stolz darauf, dass ich den Simulator entwickelt habe, mit dem der Flug einer Falcon 9 mit der realen Hardware komplett simuliert werden kann. Das hat viele Dinge möglich gemacht, die vorher nicht möglich waren.
Welches Ereignis hat Sie bei SpaceX am stärksten geprägt?
Am stärksten hat mich die Falcon 1 geprägt. Wir mussten ohne viel Erfahrung viele Entscheidungen treffen. Und wir mussten die ersten drei Fehlstarts verarbeiten, was für mich persönlich nicht einfach war.
Wie kann man ein gutes Team aufbauen, das den Geist des Aufbruchs weiterträgt?
Elon Musk hat ein sehr gutes Gespür für die Auswahl der richtigen Leute. Sehr gute Leute wollen außerdem bei SpaceX arbeiten. Da Elon Musk sich sehr stark auf etwas fokussieren kann und versteht, wie man das Team motivieren und antreiben kann, funktioniert das dann.
Warum gab es die SN9-Anomalie?
Die Untersuchung ist noch im Gange; fuer mich sah es so aus als ob ein Triebwerk nicht oder zu spaet zündete, aber ich habe leider keine konkreten Informationen.
Sind sie bei einem Start noch aufgeregt?
Die Starts sind mittlerweile zu einer Art Routine geworden. Die Landung ist allerdings nach wie vor sehr nervenaufreibend.
Wie fühlt es sich an, an einem Projekt mitzuarbeiten, das die Welt verändern könnte?
Während des Projekts ist man sehr stark auf das Projekt selbst fokussiert. Über das Projekt hinauszudenken, würde nur von der Arbeit ablenken und das wäre nicht gut. Gleichzeitig kann es aber auch motivierend sein, wenn man sich überlegt, welche positiven Effekte das Projekt haben könnte.
Benutzt SpaceX für die Steuerung der Raketen künstliche Intelligenz?
Die Steuerung einer Rakete erfolgt nach einer klar definierten, sequenziellen Art und Weise. Künstliche Intelligenz ist dafür eher nicht geeignet. SpaceX hatte mal Versuche unternommen, Videomaterial mit Hilfe künstlicher Intelligenz auszuwerten, aber ich glaube am Ende haben wir das wieder mit natürlicher Intelligenz gemacht.
Stellt die Marsbesiedlung eher eine Möglichkeit dar, die Überlebenschancen der Menschheit zu steigern oder handelt es sich dabei eher um ein Expansionsprojekt?
Mittlerweile ist ein großer Teil der auf der Erde jemals existenten Arten ausgestorben. Ökosysteme können sich schnell wandeln, Planeten können lebensfeindlich werden. Die Besiedlung weiterer Planeten kann die Chancen dafür erhöhen, dass die Menschheit überleben wird. Zwei Standbeine sind besser als eines. Aber natürlich ist es auch reizvoll, bislang unbekannte Gebiete zu erforschen.
Warum ziehen Sie sich von SpaceX zurück?
Ich ziehe mich nicht komplett zurück, sondern möchte in Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit für Reisen und den Bau meines Flugzeugs - ich habe mittlerweile den Pilotenschein - zu haben. Nach dem Aufbau eines guten Teams, das auch gut ohne mich zurechtkommt, war die Zeit jetzt reif. Ich wollte aber noch unbedingt das Crew Dragon-Projekt zum Erfolg bringen.
Zum Abschluss noch einige Links: